Am nächsten Morgen – Samstag, der 21. Mai 2011, war der Beginn der zweiten Woche unserer Narrowboat-Tour – sind wir ziemlich früh[um 7 Uhr] aufgestanden, da wir ja fertig zum Ablegen sein wollten, sobald Caryl mit ihren Kindern eingetroffen sein würde.Zum Frühstück gab’s ein Brötchen mit Schinken für Mary und Toast mit Orangenmarmelade für mich. Und dazu natürlich – wie könnte es anders sein – für mich den obligatorischen Kaffee.
Nach dem Frühstück habe ich dann die Zeit genutzt, um ins Internet zu gehen. Ich hatte wider Erwarten eine wirklich gute Verbindung und habe sage und schreibe 256 E-Mails heruntergeladen! Auch Mary hat ihre E-Mails gecheckt. Und wer haben natürlich auch das Boot aufgeräumt, damit es nicht aussehen würde „wie bei Hempels unter’m Bett“, wie man so sagt.
Hier ein Auszug aus Mary’s Reisetagebuch:
„Awoke about 6:55; prepare ham bread roll for breakfast; Pit has last slice of bread with margarine and marmalade. Tidy boat a bit to prepare for visitors: Caryl and her 2 children; Caryl is friend of Pit’s from teacher-student exchange days. The visitors are to arrive in time for us to begin at 9:00. Last night in The Lock Pit told me to check pictures in my camera when I mentioned, in passing conversation, that I had really fallen asleep on train returning to Kidderminster from Highley. Tricky Pit had taken 2 pictures of me while snoozing on the train – and with my own camera! Need to think of little trick now to repay his sneaky action. 😉
Today is sunny, so far, shortly after 8, but sky is hazier and more overcast than yesterday morn. Will read in Nook awhile.“
Und nachdem Caryl und ihre Konder dann pünktlich eingetroffen waren, ging’s auch sofort auf die Weiterreise:
Aus dem Pub zurück vom Abendessen, widmet sich der Skipper bei einer Flasche „Old Peculier“ [wie vorhin schon gesagt, die hatten wir in Kidderminster gekauft] dem Computer:
Skipper, Computer & Old Peculier
Im Pub hatte ich übrigens, wie ich es normalerweise tue, mal wieder ein neues, unbekanntes Bier probiert, dieses Mal ein Boondoggle Blond Ale aus der Ringwood Brauerei – sehr angenehm süffig.
Normalerweise diente der Computer ja hauptsächlich der Reiseplanung [die Software von EureauWeb mit Karten etc., mit der ich auch die hier abgebildeten Kartenausschnitte herstelle, war ja auf der Festplatte], aber ich hatte auch eine Reihe elektronischer Bücher per Amazon’s Kindle drauf. An diesem Abend aber habe ich versucht, einmal online zu gehen, um nach einer Woche ohne Internetzugang E-Mails herunter- und mein Handy aufzuladen. Der Internetzugang war zwar nicht kostenlos und auch nicht besonders schnell, aber mein Handy konnte ich aufladen, und auch die Bundesligaresultate konnte ich sehen – mit einer Reihe von Unterbrechungen. Aber später war dann nichts mehr mit Internet und die E-Mails mussten warten. Auch mein Handy war hier kaum zu gebrauchen, und so habe ich es mit Mary’s versucht, und das hat geklappt. Ich konnte mit Caryl die Vereinbarungen für den nächsten Tag treffen, und mit Richard für den übernächsten.
Um 16:11 Uhr in Kidderminster angekommen, ging’s dann auf kürzestem Wege zurück zum Boot. Eigentlich hatten wir auch noch Brot kaufen wollen, denn auf dem Hinweg zum Bahnhof waren wir an einer Bäckerei vorbeigekommen, die wirklich gut aussehendes Brot hatte. Aber leider war da alles ausverkauft, als wir am späten Nachmittag nach unserem Ausflug da wieder vorbeikamen: schade! Also haben wir im nahegelegenen Supermarkt nur Brötchen, Kaffee und Bier [eine Flasche „Old Peculier“ aus dem Hause Theakston – wirklich so geschrieben – für mich: da passt der Name des Bieres zur Person, denn schließlich bin ich ja auch „alt (und) seltsam“ 😉 ] gekauft. Unser Boot, das wir ja einen ganzen Tag ohne Aufsicht am Kanalufer hatten liegen lassen müssen, fanden wir übrigens, zu unserer großen Erleichterung, absolut wohlbehalten wieder vor. Und um 17:15 Uhr hieß es dann wieder, „Leinen los!“, und wir waren auf dem Weg nach Wolverley, wo wir beim Pub „The Lock“ die Nacht verbringen wollten. Hier die Karte, wie immer mit freundlicher Genehmigung von EureauWeb:
Reiseroute Kidderminster - Wolverley
Die heutige Strecke war ziemlich kurz: nur etwa 1,5 Meilen und 2 Schleusen, sodass wir mit einer Fahrzeit von (knapp) einer Stunde rechnen konnten. Aber wir wollten noch an diesem Abend hin, weil wir einerseits am nächsten Morgen rechtzeitig in Wolverley an der Schleuse sein wollten, da wir uns da mit Caryl [einer alten Bekannten von mir noch aus den Zeiten des Englandaustauschs während meiner aktiven Zeit am Kopernikus Gymnasium in Niederkassel] und ihren Kindern, denen wir einen Tag auf einem Narrowboat versprochen hatten, verabredet hatten, und auch, weil der dortige Pub [„The Lock„] eine vielversprechende Beschreibung [gemütlich und gutes Essen] in unserem Wasserreiseführer hatte. Unsere Reisezeitberechnung stimmte ziemlich genau, denn um 18:20 Uhr waren wir oberhalb der Schleuse von Wolverley [„Wolverley Lock„] an der Mooringstelle des Pubs fest.
Zu der Strecke von Kidderminster bis Wolverley sagt unser Kanal-Reiseführer: „Leaving the town behind, the navigation moves into an area of quiet water meadows created by the River Stour, which is now on the west side [of the canal]. Passing the isolated Wolverley Court Lock, the village of Wolverley on the other side of the valley is marked by its unusual Italianate church standing on a large outcrop of rock. The approach to the deep Wolverley Lock is lined by trees.“ Waterways Guide 2: Severn Avon & Birmingham (Cheltenham 2009), S. 112
Zurück im Bahnhof in Kidderminster gab’s dann noch einmal einen wirklich sehenswerter Oldtimer zu bewundern, eine BMW Isetta, und die auch noch für England hergerichtet, mit Rechtssteuerung:
Nach diesem Kurzbesuch im Eisenbahnmuseum der Severn Valley Railway in Highley ging’s dann wieder zurück nch Kidderminster. Zu lange konnten wir uns nicht hier in Highley aufhalten, denn wir wollten am gleichen Tag abends noch per Narrowboat die kurze Strecke weiter nach Wolverley, wo wir uns für den nächsten Tage mit englischen Freunden verabredet hatten, die wir zu einem Tag auf unserem Boot eingeladen hatten.
In Kidderminster erwies sich die Liegeplatzsuche dann als schwieriger, als wir nach der Beschreibung des Wasserreiseführers gedacht hatten: „The approach to Kidderminster has changed considerable – what was once an almost claustrophobic route between red-brick mills is mnow smart developments, with abroad towpath, good moorings and supermarkets and cafés close by.“ [Nicholson Waterways Guide, Vol. 2: Avon, Severn & Birmingham (Cheltenham 2009), S. 112].
Dass die Route ins Zentrum von Kidderminster hinein durch wirklich gut gelungene Restaurationen alter Industriebauten führt, steht außer Zweifel. Klaustrophobisch wurde es dann aber doch noch direkt vor der Schleuse im Stadtzentrum, deren Zugang sich in einem dunklen und engen Tunnel unter einem Kreisverkehr befand. Aber das war nun wirklich nur diese eine Passage. Sie erinnerte übrigens sehr stark an York Street Lock in Stourport-on-Severn. Aber das nur nebenbei.
Zum „Liegeplatzproblem“: Liegeplätze gab es in Menge. Schließlich darf man ja (fast) überall am Treidelpfad festmachen. Wir hatten uns zunächst einmal für einen Liegeplatz direkt am Parkplatz des Supermarktes entschieden. Und so hatten wir gedacht, dies sei ein sicherer Liegeplatz für die Nacht und auch für den nächsten Tag, wenn wir einen Tagesausflug mit der Museumseisenbahn [Severn Valley Railway] machen wollten, das Boot also unbeaufsichtigt am Kanalufer liegen würde. An diesem Platz wurden wir aber von derf Besatzung eines entgegenkommenden Bootes gewarnt, nicht unbedingt hier festzumachen, weil zu viele Jugendliche sich dort herumtrieben und es nicht sicher sei, ob sie unser Boot in Frieden lassen würden. Also sind wir auf unserer Liegeplatzsuche langsam weitergefahren. Aber auch der zweite Platz [Weavers‘ Wharf], den wir in Augenschein nahmen, war uns nicht geheuer.Direkt am Treidelpfad gab es da auch ein Restaurant nicht gerade der untersten Kategorie, und das ließ uns eigentlich hoffen. Aber hier wurden wir vonGästen des Restaurants gewarnt. Und außerdem sahen wir zwei Einkaufswagen aus dem nahegelegenen Supermarkt aus dem Kanalwasser ragen: nicht gerade als Liegeplatz einladend. Es war auch etwas schwierig – denn es war am Ufer nicht tief genug – nahe genug an den Treidelpfad zu kommen, unm das Boot festzumachen. Darüberhinaus gab es auch hier für unseren Geschmack zu viele Jugendliche – „louts„, wie sie in England genannt werden. In die Mitte des Kanals zu kommen erwies sich dann wegen der Einkaufswagen im Wasser als etwas schwierig. Es blieb mit nichts anderes übrig, als mit ausgekuppelter Schraube über einen davon „hinwegzuschubbern“. Ging aber gut. Also gin es nich einmal weiter auf unserer Liegeplatzsuche, durch die Schleuse hindurch, in der Hoffnung, dass wir einen besseren Liegeplatz finden würden. Und hier ist er, …
Unser Liegeplatz in Kidderminster
… oberhalb der Schleuse [im Vordergrund zu sehen], an einem kleinen, ruhigen und – auch wenn die Hauptstraße nicht mehr als 100 Meter enhtfernt war – abgeschiedenen Park direkt unterhalb der Kirche [St Mary and All Saints] und direkt neben einem historischen Kran. Jugendliche waren hier keine zu sehen und der Treidelpfad führte auf dem gegenüberliegenden Ufer des Kanals entlang. So hofften wir dann wirklich, einen sicheren Liegeplatz gefunden zu haben. Und um es vorweg zu nehmen, unsere Hoffnung hat uns nicht getäuscht, und wir haben das Boot am nächsten Abend nach unserem Tagesausflug wohlbehalten und unbeschädigt wieder vorgefunden.
All die Liegeplatzsuche hatte uns etwas aufgehalten, und so waren wir erst um 19:02 Uhr am Ufer fest, und haben uns sofort auf den Weg gemacht, um einen gemütlichen Pub für’s Abendessen ausfindig zu machen. Aber damit hatten wir heute irgendwie kein Glück. Nahe beim Boot haben wir keinen gefunden, und sehr weit wollten wir, weil es ja schon spät war, nicht laufen. So sind wir dann in einem etwas moderneren Restaurant mit der indisch/pakistanischen Spezialität der Gegend von Birmingham, Balti, gelandet und hatten ein sehr leckeres Abendessen. Wir haben die Auswahl keinesfalls bereut. Im Grunde ist Balti ein in einem Metalltopf gekochtes und serviertes Curry, bei dem man zwischen verschiedenen Fleischsorten und Schärfegraden wählen kann.
Hier noch ein Auszug aus Mary’s Reisetagebuch zum Abend: „We walk into Kidderminster looking for supper. Must tell story on my Captain Pit – he filled the Kidderminster lock! Then needed to drain it before we went into lock – he had a moment’s screw loose in lock operation! We find one restaurant, but after entering it twice, we decided it was too fancy-dress for our greasy narrow boat jeans and several-day-old shirts. We find a terrific Indian place next door – Paradise Balti House – it’s loud inside with modern decor, but we’re happy to be here. We both have a Paradise Special – 9.95 pounds – for poppers, assorted sauces + chutneys, choice of starter, entree, rice or naan choice and 1 trip to dessert bar. I choose meat samosa for starter, chicken korma for entree, and rice; Pit chooses chicken spring roll, meat + mushroom balti, + naan. We share all. My korma is too sweet for my liking, but all else is delicious. + I’m brought a jug of tap H2O! Amazing!“
Eine Erläuterung zu Mary’s Bemerkung zu meiner „Schleusentaktik“: ich muss da wirklich einen Blackout gehabt haben. Als wir ankamen, war die Schleusenkammer leer und wir hätten, da wir ja sozusagen „von unten“ kamen, direkt einfahren können. Statt dessen habe ich die Schleuse voll Wasser laufen lassen, nur um sie dann wieder lerlaufen lassen zu müssen, damit wir rein konnten!
Und danach haben wir den Abend auf dem Boot gemütlich ausklingen lassen.
Karte [mit freundlicher Genehmigung von EureauWeb] für Mittwoch, den 18.05.2011: Tewkesbury bis Worcester
Route Tewkesbury bis Worcester
Da ich die Karte nur im Querformat reproduzieren kann, muss ich hier (leider) den Maßstab ziemlich groß [1:100.000] wählen, und daher sind kaum Details zu sehen. Aber es geht ja ohnehin nur um eine Übersicht über die Route.
Wie beim vergangenen Eintrag schon gesagt: unser Plan war, kurz nach Mittag in Tewkesbury aufzubrechen und dann – nach dem Schleusen vom Avon-Niveau herunter auf das des Severn – diesen flussaufwärts bis Worcester zu fahren. Aber dann gab’s die Verspätung wegen der Mittagspause des Schleusenwärters und dessen Nachricht, dass wir wahrscheinlich die letzte Schleusung der Schleuse von Diglis verpassen würden. Und seine Empfehlung war eben, dass wir in Upton-on-Severn übernachten sollten. Aber das war uns als Tagesetappe viel zu kurz, und es hätte auch die Reisezeit am nächsten Tag so verlängert, dass wir nicht genügend Zeit für Worcester gehabt hätten. Genau genommen hätten wir in Worcester nur „im Vorbeifahren“ mal kurz halten können, weil das Reiseziel für den Tag [Donnerstag, 19. Mai] eigentlich Kidderminster war. Lt. Karte bzw. Flussreiseführer gab es auch weiter oberhalb und damit näher an Worcester noch eine Möglichkeit, für die Nacht festzumachen, und zwar in Kempsey. Auf Flüssen wie dem Avon und dem Severn ist es ja, im Gegensatz zu den Kanälen mit ihren Treidelpfaden, normalerweise nicht erlaubt, am Ufer anzulegen. Also muss man sich an die offiziellen Liegeplätze halten. Und so wollten wir es eben mindestens bis dahin, am liebsten natürlich aber bis Worcester schaffen. Und wir hatten auch die Möglichkeit einkalkuliert, gleich unterhalb von Diglis Lock einfach für die Nacht festzumachen. Glücklicherweise darf man ja auch auf dem Severn – wie auch auf dem Avon – schneller fahren als auf den Kanälen, und zwar stromaufwärts mit 6 Meilen pro Stunde. Vielleicht haben wir das sogar ein wenig überschritten, aber bestimmt nicht viel.
Der Severn ist übrigens mit 340 Kilometern Länge der längste Fluss in Großbritannien und war schon immer einer der bedeutendsten Wasserwege in England. Zusammen mit seinem Nebenfluss, dem Avon, reicht er weit ins Herzland Englands, und verbindet die Eisen- und Kohlefelder mit dem Bristol Channel und damit dem Küstenverkehr. Auf dem Severn konnten Schiffe bis in die Midlands und auch nach wales hinein fahren, wenn auch die Reise oberhalb von Worcester wegen der Strömungen und Untiefen immer problematisch war. Heutzutage wird der Verkehr im unteren Bereich durch den Gloucester-and-Sharpness Kanal ermöglicht, und so findet sich kommerzielle Schiffahrt von beträchtlicher Größe bis hinauf nach Stourport-on-Severn. Im Mittelalter war es flachgehenden Booten häufig auch möglich, sogar Shrewsbury zu erreichen, aber diese Möglichkeit ist heutzutage nicht mehr gegeben.
„The Severn is one of England’s greatest rivers and it has determined for centuries the social and economic structure of its region. Effectively, its wide and fertile valley forms the border between England and Wales, providing a more powerful and permanent barrier than the castles and fortifications erected by man. Between the Roman period and the late eightheenth century the Severn was navigable far north of Shrewsbury and deep into Wales, and so it was the backbone for the development of the area. […] The importance of the river is also evident from its huge network of connecting waterways, many of which serve the inland ports along the Severn. Rivers which join the Severn include the Wye (to Hereford), the Teme (to Ludlow) and the Avon (to Stratford), while canals, built mostly during the late 18th century, connected many parts of the Severn with the English waterways network. Many of these canals can still be explored today and some of the inland ports, notably Sharpness and Gloucester, are still in commercial use. As a result, boats can use the Severn to visit many parts of western England and the Midlands.
The scenery of the Severn valley is very varied. Rolling farnland, orchards, steep wooded valleys and dramatic hills can all be found in close proximity. […] The region is now predominantly rural, although modern industry is never far away, with the Black Country and the Midlands spreading to the east. Here again history can be explored in an unusual way, however, for the Black Country still boasts over 100 miles of navigable canals, the remains of a huge network that was the lifeblood of the region during the nineteenth century. There are several connections between the Severn and the canals of Birmingham and the Midlands. These little known waterways mark the contrast between the rural and the industrial landscapes and bring to life a vibrant era of English history. “ [Paul Atterbury, English Rivers and Canals (London, 1984), S. 61 ff.]